Kurioses
Petra mit Schmetterlingen Natürlich erleben wir hier noch fast tagtäglich die kuriosesten Dinge und machen die eigenartigsten Entdeckungen. Mehr als sonst wo gilt hier: es gibt kein richtig und kein falsch. Wir freuen uns immer wieder wie die Schneekönige, wenn wir eine neue Erfahrung gemacht haben und glauben: aha, so ist das hier. Und 5 Minuten später machen wir eine genau gegenteilige Erfahrung.
Dieses Land ist so groß und so viele Kulturen leben hier nebeneinander, dass man sich auf nichts einstellen kann. Deshalb gilt für alles was hier steht: so ist es und bestimmt ist es auch anders.

Das was hier steht stammt von Petra, Manfred oder in Auszügen von Bill Bryson aus dem Buch "Streiflichter aus Amerika - Die USA für Anfänger und Fortgeschrittene"



In der Behördenmühle (von Bill Bryson)
Ich sehe Sie schon verächtlich schnauben, wenn ich Ihnen berichte, dass ein Bekannter von uns - ein hochrangiger Akademiker - mit offenem Mund dasaß, als seiner Tochter von der Einwanderungsbehörde Fragen gestellt wurden wie: »Haben Sie sich jemals eines gesetzwidrigen Wirtschaftsvergehens schuldig gemacht, einschließlich, aber nicht beschränkt auf, illegales Glückspiel?« und »Sind Sie jemals Mitglied der kommunistischen Partei gewesen, oder haben Sie ihr oder einer anderen totalitären Partei auf sonst eine Weise nahegestanden?« und - meine Lieblingsfrage - »Haben Sie die Absicht, in den Vereinigten Staaten Polygamie zu praktizieren?« Ich sollte vielleicht darauf hinweisen, dass das Kind fünf Jahre alt war. Sehen Sie, ich könnte schon losheulen.
Mit einem Land, das, ganz einerlei, wem, derartige Fragen stellt, stimmt gewaltig etwas nicht. Nicht nur, weil sie schlicht aufdringlich und irrelevant sind, und auch nicht, weil Fragen nach der politischen Orientierung eines Menschen in krassem Widerspruch zur amerikanischen Verfassung stehen, sondern weil sie eine kolossale Verschwendung von jedermanns Zeit sind. Wer erwidert schon auf die Frage, ob er die Absicht hat, Genozid oder Spionage zu betreiben, ein Flugzeug zu kapern, sich bigamistisch zu verheiraten oder irgendeiner anderen unerwünschten Tätigkeit von dieser langen, eigenartig paranoiden Liste zu frönen: »Ja, selbstverständlich! Schmälert das etwa meine Chancen einzureisen?«



Absicherung vor Schadenersatz?
Wenn man das erste Mal zu einem Arzt - in diesem Fall Zahnarzt - geht, muss man ein Formular mit dem Namen "Registration & Health History" ausfüllen.
Man wird u.a. nach folgenden Krankheiten gefragt: Aids, Allergien, Latex-Allergien, Blutarmut, Angina Pectoris, Arthritis, Neigung zu Blutergüssen, Lungenaufblähung, Grauer-Star, Grüner-Star, Hepatitis A/B, Heuschnupfen, Herzklappen, Krebs, Chemotherapie, Erkältung, Diabetes, Drogen-Abhängigkeit, Emphysem/Lungenaufblähung, Ohnmacht, Schwächeanfälle, Herz-Erkrankungen, Herz-Infarkt, Herzschrittmacher, Herzgeräusche (?), Nieren-/Leber-beschwerden, Mitralklappeninsuffizienz, Nervosität, und und und. Kein Problem, wir haben den dicken Langenscheid immer unterm Arm

Außerdem wird man gefragt:
Wenn Sie eine Treppe rauf steigen oder zu Fuß gehen, mussten Sie schon mal anhalten, weil Sie Schmerzen in der Brust spürten, kurz-atmig waren oder weil Sie sehr müde waren? Da es in Amerika immer auch einen Aufzug gibt, kann ich diese Frage nicht beantworten.
Schwellen Ihre Füße im Laufe des Tages an? Keine Ahnung, die liegen den ganzen Tag auf dem Tisch.
Benötigen Sie mehr als 2 Kopfkissen in der Nacht? Was geht die das an?

Und das alles, damit dem Arzt keine Millionenklagen ins Haus stehen.



Bestellungen im Restaurant
Ein Amerikaner bestellt selten Gericht 1:1 von der Speisekarte, d.h. es wird meistens etwas geändert bestellt. Vor kurzem saßen wir in einem Restaurant, Petra orderte einen "Caesar Salad with Chicken" - dies ist ein amerikanischer Salat-Klassiker. Die Damen am Nachbartisch bestellten: "Caesar Salad with Chicken without Anchovy, without Croutons and the dressing on the side".

Vielleicht kann sich jemand auch noch an die "L.A. Story" mit Steve Martin erinnern? Das ist der Film, in dem ein Fernseh-Wetter-Frosch von einer Anzeigentafel neben der Autobahn Ratschläge für sein Liebesleben erhält. Die LA-Schickeria wird darin herrlich karikiert. So zum Beispiel, als Steve Martin mit einigen Freunden im Restaurant sitzt und alle zum Abschluss Kaffee bestellen. Das sah so aus:
Tom: I'll have a decaf coffee.
Trudi: I'll have a decaf espresso.
Morris: I'll have a double decaf cappuccino.
Ted: Give me decaffeinated coffee ice cream.
Harris: I'll have a half double decaffeinated half-caf, with a twist of lemon.



Herzlich Willkommen zuhause
Wir sitzen im Flieger nach Fort Myers, Florida. Nach der Landung sagt die Stewardess durch den Lautsprecher: "Herzlich Willkommen in Fort Myers - wir bedanken uns bei Ihnen, dass Sie mit uns geflogen sind und wünschen Ihnen noch einen schönen Tag." So schön, so gut, das war ja noch nichts besonderes. Sie fährt fort: "Vor allem heißen wir einen an Bord befindenen US-Soldaten, der aus dem Irak zurückkehrt, herzlich willkommen - Thank you and God bless you!"



Diskriminierung
Um Benachteiligungen aus dem Weg zu gehen, enthält ein Lebenslauf in Amerika weder Geburtsdatum noch Foto. Dafür wird man auf Personalbögen u.a. gefragt: Are you Hispanic or Latino (?)



Briefkasten
Wir müssen unsere ausgehenden Briefe nicht zur Post bzw. in einen Postkasten werfen. In unserem Treppenhaus gibt es über den Briefkästen ein Fach eigens für ausgehende Post - dort legen wir die frankierten Briefumschläge rein und der Briefträger nimmt es täglich mit.



Bürokratie
Wer der Meinung ist Deutschland sei Weltmeister im Bürokratismus, der hat sich getäuscht. Hier sind die Amerikaner definitiv an der Spitze.
Ein Beispiel dazu: Petra besuchte einen Headhunter um in dessen Kartei aufgenommen zu werden. Damit dieser aktiv werden kann, musste sie ihre Daten direkt und sehr umfangreich in ein Formular am PC eintickern. Danach folgte ein Gespräch mit verschiedenen Fragen, die übrigens z.T. auch schon in dem Formular abgefragt wurden. Abschließend musste sie das, was sie online angegeben hatte, noch einmal in Papierform ausfüllen. Auf ihre Nachfrage erhielt sie die Antwort: Nur zur Sicherheit, damit nichts verloren geht!



Freundliche Menschen (von Bill Bryson)
Als wir - von England - in diese kleine Stadt in New Hampshire gezogen sind, empfingen uns die Einwohner, als sei unsere Anwesenheit das einzige, was ihnen bisher zum vollkommen Glück noch gefehlt habe. Sie brachten uns Kuchen und Pasteten und Wein. Keiner sagte: »Ach, Sie sind es, die für die Bruchbude von den Millers ein Vermögen bezahlt haben«, was, glaube ich, die traditionelle Begrüßung in England ist. Als die Nachbarn direkt neben uns hörten, dass wir zum Essen ausgehen wollten, protestierten sie und meinten, es sei doch zu traurig, dass wir am ersten Abend in einer neuen Stadt in einem fremden Restaurant essen müßten, und bestanden darauf, dass wir sofort zu ihnen zum Abendbrot kamen, als sei es ein Klacks, sechs Extramäuler zu füttern.
Und als sich die Nachricht verbreitete, dass unsere Möbel auf einem Containerschiff waren, das von Liverpool offenbar via Port Said, Mombassa und die Galapagosinseln nach Boston tuckerte, und wir vorläufig nichts hatten, auf dem wir schlafen, sitzen oder essen konnten, kam ein Strom freundlicher Fremder (von denen ich viele nie wiedergesehen habe) mit Stühlen, Lampen, Tischen und sogar einer Mikrowelle unseren Eingangsweg hochgetrapst.
Es war phantastisch und ist es immer noch. Letztes Jahr Weihnachten waren wir zehn Tage in England, und als wir spätabends hungrig von unserer Reise nach Hause kamen, stellten wir fest, dass ein Nachbar unseren Kühlschrank nicht nur mit dem Notwendigen, sondern sogar mit Leckereien gefüllt und frische Blumen in Vasen gestellt hatte. So was ist hier gang und gäbe.
Neulich ging ich mit einem meiner Kinder zu einem Basketballspiel der hiesigen Universitätsmannschaft. Wir kamen kurz vor Spielbeginn und stellten uns in eine Schlange vor einem Kartenschalter. Nach einer Minute trat ein Mann auf mich zu und sagte: »Warten Sie, um eine Eintrittskarte zu kaufen?(' Nein, wollte ich schon antworten, ich stehe hier, damit die Schlange eindrucksvoller wird, doch dann sagte ich nur: »Ja.«
»Sie können die haben«, erwiderte er und schob mir zwei Karten in die Hand. Auf Grund jahrelangen dämlichen Mißverstehens von derlei Situationen war mein erster Gedanke, dass er Schwarzhändler und irgendwo ein Haken an der Sache war. »Wieviel?« fragte ich mißtrauisch. »Nichts, nein, Sie können sie haben. Umsonst. Wir können nicht.« Er zeigte auf ein Auto mit laufendem Motor; eine Frau saß auf dem Beifahrersitz. »Wirklich?« sagte ich. »Na, vielen Dank.« Und dann fiel mir etwas auf. »Sind Sie extra hierhergefahren, um zwei Eintrittskarten zu verschenken?«
»Sonst wären sie verfallen« sagte er entschuldigend. »Viel Spaß beim Spiel.«

Von solchen Sachen könnte ich endlos erzählen - von dem jungen Mann, der die verlorene Brieftasche meines Sohnes, in der sich fast der gesamte Lohn von dessen Sommerjob befand, zurückbrachte und keine Belohnung annehmen wollte; von den Angestellten des Kinos, die, wenn es zu regnen anfängt, hinausgehen und die Fenster der in den umliegenden Straßen parkenden Autos zumachen, weil sicher einige der Wagen den Kinogästen gehören, die ja nicht wissen können, dass es regnet.





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